Kontamination: Verschmutztes Essen
Kontamination – das klingt irgendwie direkt nach Industrieunfall und Umweltschäden. Es fängt aber schon viel kleiner an. Aus dem lateinischen übersetzt bedeutet kontaminieren so viel wie “beflecken” oder “beschmutzen”. Klingt unappetitlich? Ist es für Betroffene auch – schon beim Schmieren eines Butterbrotes.
Denn für Menschen mit Zöliakie oder einer richtig schlimmen Unverträglichkeit fängt das Problem nicht erst bei einer Scheibe Brot oder einem Teller Nudeln an. Dazu vielleicht ein paar Zahlen, um das deutlich zu machen.
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Die 84-fache Menge
Laut Dr. Schär-Insitut verträgt ein Zöliakiepatient problemlos eine Menge von 10 Milligramm Gluten pro Tag. Die Firma Cerascreen, die Tests für Nahrungsmittelunverträglichkeiten verkauft, spricht in ihrem Artikel zum Thema Zöliakie von 50 Milligramm pro Tag, die in Ordnung sind. Sie beruft sich dabei auf das Buch “Ernährungslehre kompakt” von Alexandra Schek. Beides ist eine Menge, die man sich vielleicht nicht sofort vorstellen kann. 10 oder 50 Milligramm, das sind 0,01 oder 0,05 Gramm. Der Grenzwert für als glutenfrei gekennzeichnete Lebensmittel liegt bei 2 Milligramm pro 100 Gramm Produkt. Ich hätte das alles gerne als Mehlhäufchen fotografiert, aber meine Küchenwaage scheitert schon daran, ein Gramm Mehl abzumessen.
Zum Vergleich – ein Weizenbrötchen enthält laut Liste von Deutscher Forschungsanstalt für Lebensmittelchemie (DFA) und Kompetenzzentrum für Ernährung (KErn) 9183 Milligramm Gluten pro 100 Gramm Brötchen. Ein Kaiserbrötchen zum Beispiel wiegt 46 Gramm, hat also 4224 Milligramm oder 4,224 Gramm Gluten. Wenn ich richtig rechne, ist das mehr als die 84-fache Menge von dem, was man mit Zöliakie essen sollte.
Ein gesunder Mensch übrigens – so heißt es beim Dr. Schär-Institut – isst im Durchschnitt 15 bis 20 Gramm Gluten am Tag.
Kleiner Brösel - großes Problem
Auch wenn das jetzt erstmal kompliziert klingt, eines scheint doch durch: Die Menge an Gluten, die jemand mit Zöliakie am Tag zu sich nehmen darf ist so winzig, dass man sie sich kaum vorstellen oder abmessen kann. Und das führt zum eigentlichen Problem.
Denn es gibt viele Orte, an denen sich solche kleinen Mengen verstecken können. Das reicht vom Toaster über die Butterdose und das Marmeladen- und Nutellaglas bis zum alten Schneidebrett. Besonders wenn man eine starke Unverträglichkeit oder Zöliakie hat, muss man deshalb einiges beachten.
Kontamination vorbeugen
Die Deutsche Zöliakie-Gesellschaft (DZG) gibt auf ihrer Seite einige Tipps zur Hygiene im Haushalt.
Arbeitsflächen, Kochgeschirr, Backformen und -bleche, Schneebesen und Kochlöffel sollten vor dem Arbeiten immer sorgfältig gereinigt werden. Auch bei Spül-, Geschirr- und Handtüchern in der Küche sollte man darauf achten, dass keine Brösel oder Mehlstaub daran haften.
Kochlöffel und andere Utensilien aus Holz oder Kunststoff sollen am besten nur für die Zubereitung glutenfreien Essens verwendet werden. Auf einem Schneidebrett, auf dem Brot geschnitten wird, können sich in den kleinen Ritzen, die beim Schneiden entstehen, Krümel und andere Überreste halten. Auch zum Aufschneiden von Brot empfiehlt sich ein eigenes oder frisch gereinigtes Messer. Gleiches gilt für Rührgerät oder Toaster. Wenn der Haushalt ganz auf glutenfrei umgestellt wird, empfiehlt die DZG, die Geräte auszutauschen, bei gemischten Haushalten mit zwei Geräten zu arbeiten. Beim Toaster ist die “Toasta-Bag”, ein Täschchen, das Brot und Toast schützt, eine Alternative zu zwei Toastern. Die Seite “Zöliakie Austausch” zeigt mit einem guten Foto auch, warum das nötig sein kann – wie sich nämlich im Innenleben eines Handrührgerätes Unerwünschtes festsetzen kann.
Glutenfreie Zutaten und Lebensmittel sollte man immer gut verschlossen und getrennt von glutenhaltigen aufbewahren. Bei Butter oder Marmelade ist es im gemischten Haushalt empfehlenswert, zweierlei zu besorgen und eines mit glutenfrei und eines mit glutenhaltig zu kennzeichnen.
Bereitet man glutenhaltiges und glutenfreies im gleichen Fett oder der gleichen Pfanne zu, sollte das glutenfreie immer zuerst hinein, weil sich auch hier Partikel festsetzen können. Bei Nudeln ist es geschickter, sie in unterschiedlichen Töpfen zu kochen. Je nachdem wie empfindlich man selbst ist, kann das übrigens auch bedeuten, dass man sich nur auf sich selbst verlässt. Denn auch wenn Freunde oder Verwandte mitgebrachten Kuchen mit glutenfreien Zutaten gebacken haben, ist vielen, die nicht betroffen sind, nicht bewusst, wie genau sie auf Hygiene achten müssen, um Kontamination zu vermeiden.
Noch mehr Aufwand?
Das klingt jetzt erstmal ziemlich nervig. Und vielleicht fragt sich der eine oder die andere, ob so viel Aufwand notwendig ist. Ich habe darüber zum Beispiel mal mit der Ernährungsberaterin Jennifer Fritz aus Düsseldorf gesprochen. Die hat mir von einem Fall erzählt, in dem sich die Werte von einem Jungen mit Zöliakie ewig nicht gebessert haben – oder zumindest nicht ausreichend. Und das obwohl die Eltern schon genau darauf geachtet haben, zuhause alles sauber und kontaminationsfrei zu halten. Auch in der Schule hat er sein eigenes, glutenfreies Essen bekommen.
Später hat sich dann herausgestellt, dass das Küchenpersonal in der Küche das glutenfreie Essen mit der gleichen Kelle aus der Verpackung auf den Teller geholt hat – und diese kurze Berührung hat schon dazu geführt, dass es dem Jungen weiter nicht gut ging.
Die Sache mit der Kontamination ist es übrigens auch, warum es in vielen – auch größeren – Bäckereien keine glutenfreien Produkte gibt. Markus Busch von Busch’s Backstube aus Monheim, die es auch in Düsseldorf gibt zum Beispiel hat erklärt, dass es sich für eine handwerkliche Bäckerei wie seine einfach nicht lohnt, auch glutenfrei zu backen – denn dafür bräuchte er eine zusätzliche Backstube und eigenes Gerät.