Unverträglichkeit: Gute Gründe, Gluten wegzulassen
Es gibt verschiedene Gründe, auf Gluten zu verzichten. Wer nach dem Essen Bauchschmerzen oder andere Beschwerden hat, sollte das wohl am Besten mit der medizinischen Fachperson des Vertrauens besprechen – also Ärztin oder Arzt, Heilpraktiker*in, Ernährungsberater*in.
Denn herauszufinden, auf welche Lebensmittel man schlecht reagiert, kann so alleine ganz schön schwierig werden. Ich versuche mal, einen kleinen Überblick über die gängigsten Erkrankungen, die mit Gluten oder Weizen zu tun haben, zu geben.
Erkrankung oder Unverträglichkeit? - Vieles kann der Grund sein
Zöliakie ist eine chronische Autoimmunerkrankung, von der in Deutschland rund 800 000 Menschen betroffen sind, wie die Deutsche Zöliakie Gesellschaft (DZG) mitteilt. Grund für Beschwerden ist das Klebereiweiß Gluten, das in Getreidesorten wie Weizen, Dinkel, Roggen und Gerste enthalten ist. Wenn Betroffene glutenhaltige Lebensmittel zu sich nehmen, entzündet sich der Dünndarm, die Dünndarmzotten, die für die Aufnahme von Nährstoffen verantwortlich sind, bilden sich zurück.
Wie stelle ich eine Zöliakie fest?
Medizinisch gesprochen bildet das Immunsystem Antikörper der Klasse IgA gegen das Enzym Gewebe-Transglutaminase, wie der Allergieinformationsdienst erklärt. Feststellen kann der Arzt eine Zöliakie durch einen Bluttest und durch eine Gewebeprobe aus dem Dünndarm. Mit der letzten kann er feststellen, wie sich die Zotten verändert haben. Meist sollten diese Tests aber stattfinden, bevor man glutenfreie Ernährung ausprobiert hat. Danach lassen sich Veränderungen und Antikörper-Reaktionen im Blut schlechter nachweisen.
Zöliakie äußert sich meist durch Bauchschmerzen und Durchfall – aber auch Mangelerscheinungen können auftreten, gerade weil durch die zurückgebildeten Zotten Nährstoffe schlechter aufgenommen werden. Auch die Hauterkrankung Dermatitis herpetiformis Duhring kann auftreten. Dabei bilden sich Blasen auf der Haut und es juckt stark. Insgesamt reagiert aber wohl jeder Patient anders. Einzige Lösung: Gluten muss raus aus dem Speiseplan. Und das für immer – denn sobald wieder Weizen und Co gegessen werden, fängt die Entzündung von Neuem an.
Auch wer eine Allergie gegen Weizen oder Weizenmehl hat, kommt mit glutenhaltigen Produkten womöglich nicht klar. Hier treten die Beschwerden laut Allergieinformationsdienst aber deutlich schneller auf, als bei einer Zöliakie. Das kann schon nach wenigen Minuten bis mehreren Stunden passieren – wie bei vielen anderen Allergien eben auch.
Genau wie bei anderen Pollen- oder Nahrungsmittelallergien kann auch diese durch einen Hautpricktest, durch einen oralen Provokationstest oder durch spezifische IgE-Antikörper im Blut nachgewiesen werden.
Fangen wir mal mit einem sperrigen Begriff an. Die „Nicht-Zöliakie-Nicht-Weizenallergie-Weizensensitivität“. Macht die Erklärversuche gegenüber Ahnungslosen vielleicht nicht einfacher, erklärt aber doch, um was es sich grundsätzlich handelt. Es geht also um die, die keine diagnostizierte Zöliakie oder Weizenallergie haben, aber trotzdem Probleme mit glutenhaltigem Getreide haben. Laut Allergieinformationsdienst geht auch diese Überempfindlichkeit mit ähnlichen Darmbeschwerden einher wie die Zöliakie. Bis man etwas merkt, kann es Stunden, oder aber auch Tage dauern.
Woher kommt die Unverträglichkeit?
Was genau der Auslöser für diese Unverträglichkeit ist, ist nicht genau erforscht. Es wird vermutet, dass es sich um eine Intoleranz gegenüber bestimmten Weizenbestandteilen handelt. Im Verdacht haben Forscher die sogenannten Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATI) in den glutenhaltigen Getreidesorten, die das Immunsystem aktivieren und eine Reaktion auslösen. Auch könnten die “FODMAP”s, die nicht resorbierbaren „Fermentierbaren Oligo-, Di- und Monosaccharide und (and) Polyole“ für die Unverträglichkeit verantwortlich sein. In einer Leitlinie der DZG mit der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen (DGVS) heißt es etwa, dass in einer Studie unter Reizdarmpatient*innen keine Reaktion auf Gluten, wohl aber auf die FODMAPs festgestellt wurde.
Bei der Weizensensitivität handelt es sich laut DZG um eine nicht allergische und nicht autoimmun bedingte Erkrankung. Symptome sind Bauchschmerzen, Blähungen, Durchfall oder Verstopfung, Kopfschmerzen, Benommenheit, Müdigkeit, Gelenk- und Muskelschmerzen, depressive Stimmung und Anämie. Auch die Haut kann sich verändern.
Oft Diagnose durch Ausschlussverfahren
Wie viele Menschen davon betroffen sind, lässt sich schwer sagen. Denn dadurch, dass die Ursachen und das Krankheitsbild nicht ganz klar sind, kommen viele eher durch Ausschlussverfahren und Selbstdiagnose darauf, dass sie eine Unverträglichkeit haben und glutenfreie Ernährung ihnen helfen könnte. Die DZG gibt an, dass nach verschiedenen Forschungsarbeiten davon ausgegangen wird, dass etwa 0,5 bis sechs Prozent betroffen sind – ein ziemlich große Spanne.
Auch gegen die Überempfindlichkeit hilft nur eine glutenfreie Ernährung. Allerdings geht die DZG davon aus, dass Weizensensitive die Diät nicht ganz so strikt einhalten müssen, wie Zöliakie-Patienten – ohne Verweis auf Studien, die das belegen.
Als ich meinem Arzt erzählt habe, dass ich auf den Rat meiner Heilpraktikerin auf Gluten verzichte, sagte er nur: „Das höre ich von vielen.“ Mal abgesehen davon, dass er mir diesen Ratschlag trotzdem nicht erteilt hat: Offenbar gibt es noch andere Gründe, aus denen man Weizen und Co schlecht verträgt.
Auch der Allergieinformationsdienst weist auf diese Möglichkeit hin. Demnach gehören auch andere Allergien und Pseudoallergien, als die genannten, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, Kohlenhydrat-Aufnahmestörungen, Darminfektionen (zum Beispiel durch Parasiten) und das Reizdarmsyndrom zu den Gründen dafür, Weizen und Gluten aus dem Speiseplan zu streichen.
Bei der Recherche habe ich immer wieder festgestellt, dass Intoleranzen, Überempfindlichkeiten und Allergien ein echtes Reizthema sind. Die einen behaupten, es gehe nur um einen Trend, dem nachgejagt wird, andere fühlen sich mit ihren Symptomen nicht ernst genommen. Wieder andere verbreiten allerlei Aluhut-angehauchte Verschwörungen über die Industrie, die uns mit hochgepeitschtem Weizen alle krank und abhängig machen will.
Ist glutenfrei automatisch gesund?
Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. Sicher – in industriell Hergestelltem sind oft Zusatzstoffe enthalten, die man bei gesunder Ernährung vielleicht eher vermeidet. Deshalb heißt auch glutenfrei nicht automatisch gesund, denn auch viele Ersatzprodukte sind industriell hergestellt und nicht natürlicher, nur weil kein Weizen und Gluten drin ist. Trotzdem kann man niemandem, der sich ohne besser fühlt absprechen, einen Weg gefunden zu haben, der für ihn oder sie funktioniert – genau wie man Menschen zugestehen kann, dass sie einfach alles essen können, was sie mögen, ohne sich davon krank oder unwohl zu fühlen. Die Glücklichen!